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DEZA
Text: Samuel SchlaefliAusgabe: 04/2023

Forschende des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) arbeiten eng mit Partnern der Universität Jigjiga in der Somali Region zusammen. Das gemeinsame Ziel: Die Gesundheitsversorgung von pastoralen und agropastoralen Gemeinschaften in Äthiopien zu verbessern.

Rund sieben Millionen Menschen leben in der Somali Region in Äthiopien: Ihr Leben wird durch eine unsichere Nahrungsversorgung, fehlendes Wasser, Dürren, schlechte sanitäre Infrastruktur und Bodenerosion bestimmt. © Christoph Goedan/laif
Rund sieben Millionen Menschen leben in der Somali Region in Äthiopien: Ihr Leben wird durch eine unsichere Nahrungsversorgung, fehlendes Wasser, Dürren, schlechte sanitäre Infrastruktur und Bodenerosion bestimmt. © Christoph Goedan/laif

Yahya Osman lebt und arbeitet in Jijiga, der Hauptstadt der äthiopischen Somali Region, die östlich an Somalia, Kenia und Dschibuti grenzt. Unsichere Nahrungsversorgung, fehlendes Wasser, Dürren, schlechte sanitäre Infrastruktur und Bodenerosion bestimmen das Leben der rund sieben Millionen Menschen.

Yahya Osman arbeitet als Tierarzt und Epidemiologe an der Jijiga Universität und erlebt hautnah, wie Ausbrüche von Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen überspringen (Zoonosen), die Bevölkerung zunehmend belasten: «Seit Jahresbeginn hatten wir bereits in zwei Distrikten Tollwutausbrüche, bei denen sich mehr als 50 Personen angesteckt haben», erzählt er. «Zwei Menschen sind aufgrund von Hundebissen gestorben.» Auch ein Ausbruch von Milzbrand (Anthrax), eine Krankheit, die sowohl bei Tieren als auch beim Menschen oft tödlich verläuft, wurde kürzlich registriert. «Die Dynamik der Krankheitsausbrüche verändert sich mit dem Klimawandel», erzählt der Tierarzt. «Oft folgen auf Dürren, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, Ausbrüche von zoonotischen Krankheiten.»

Die Pastoralisten und Agropastoralistinnen in der Somali Region leben von ihren Tieren sowie der Landwirtschaft und ernähren sich vorwiegend von tierischen Produkten. In der Not schlachten und essen sie auch kranke Tiere, weil Alternativen fehlen, was wiederum die Ausbreitung von zoonotischen Infektionskrankheiten wie Tollwut, Milzbrand, Brucellose, Rindertuberkulose, Q-Fieber und Rift Valley-Fieber begünstigt.

Partnerschaft für bessere Public Health

Yahya Osman ist Teil der «Jigjiga University One Health Initiative» (JOHI) und doktoriert aktuell in Epidemiologie an der Universität Basel. Die Initiative basiert auf einer Kooperation zwischen der Universität Jigjiga, dem Armauer Hansen Forschungsinstitut in Addis Abeba und dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) in Basel, das mit der Universität Basel assoziiert ist.

JOHI geht zurück auf eine Idee der Schweizer Tierärztin Rea Tschopp, die in Äthiopien lebt und Jakob Zinsstag, Professor für Epidemiologie am Swiss TPH und One Health-Pionier (siehe Kasten). Das gemeinsame Ziel: An der Universität Jijiga Forschungskapazitäten und «One Health»-Knowhow für die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit der unterversorgten Bevölkerung in der Region Somali aufzubauen. Dafür wurde an der Universität Basel ein Austauschprogramm initiiert, über welches bis heute äthiopische Doktorierende in Basel ausgebildet werden. Finanziert wird das zehnjährige Forschungs- und Entwicklungsprojekt (2015-2026) von der DEZA.

Multimedia-Reportage zu «One Health»-Pionier

Jakob Zinsstag ist Professor für Epidemiologie und leitet die Gruppe «One Health» am Swiss TPH in Basel, wo er gemeinsam mit Rea Tschopp für das DEZA-Projekt «JOHI» zuständig ist. Seit über 20 Jahren unterstützt der gelernte Tierarzt Staaten in Afrika, Asien und Südamerika dabei, zoonotische Infektionskrankheiten einzudämmen. Er gehört zu den Pionieren des «One Health»-Konzepts und hat ausgiebig zum Thema publiziert. Die Gestalterin Seraina Hügli und der Gestalter Lucas Pfister sowie der Journalist Samuel Schlaefli haben Zinsstag monatelang begleitet und eine multimediale Reportage zum Thema «One Health» erarbeitet. Diese wurde 2022 mit dem «Prix Média» der Akademien der Wissenschaften Schweiz ausgezeichnet.

Reportage in sieben Kapiteln ist in Deutsch und Englisch frei zugänglich.

Zentrales Element des Projekts ist der Aufbau von integrierten Krankheitsüberwachungsstationen, in welchen Human- und Veterinärmedizinerinnen eng zusammenarbeiten. 2017 wurde die erste Station eröffnet; ein einfacher Lehmbau mit detaillierten Landkarten an den Wänden und zwei PC-Arbeitsstationen auf dem Pult – eine für den Verantwortlichen für Tiergesundheit, die andere für den Verantwortlichen für Humanmedizin.

Die physische Nähe soll gewährleisten, dass die eine stets auf dem Laufenden ist, was beim anderen gerade läuft. Zugleich laufen hier alle Daten der Zoonose-Überwachung im Distrikt zusammen. Zum Beispiel die Analyseergebnisse von Milchproben. Wenn darin plötzlich Phleboviren auftauchen, die Rift Valley-Fieber auslösen, werden die in der Umgebung lebenden Gemeinden frühzeitig gewarnt. Das Virus, das über Milch, Blut oder Mücken auf den Menschen übertragen wird, kann Gehirninfektionen und innere Blutungen auslösen, die in 50 Prozent der Fälle tödlich verlaufen. Mittlerweile wurden laut Yahya Osman zwei weitere solche Überwachungsstationen in anderen Distrikten eröffnet, stets in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden.

Frühwarnsystem für nachhaltige Weidelandbewirtschaftung

Seid Mohamed Ali gehört ebenfalls zu den Forschenden in Jijiga, die ihr Doktorat an der Universität Basel absolviert haben. Er studierte Geografie und hat sich auf Umweltgesundheit spezialisiert; insbesondere auf die Veränderungen von Weidelandschaften. «Nahezu 100 Prozent des Futters für Nutztiere in der Somali Region kommen vom Weideland», erklärt er. «Die Gesundheit der Pastoralisten hängt direkt von der Gesundheit dieses Ökosystems ab.» Dieses ist jedoch stark unter Druck. Aufgrund des Bevölkerungswachstums seien viele Gebiete stark überweidet; invasive Arten könnten sich besser ausbreiten. «Deren Holz wird vielerorts immer dichter, während die Gräser verschwinden», erklärt Seid Mohamed Ali.

Hinzu kommt eine langanhaltende Dürre am Horn von Afrika. «Sie tötet die Tiere nicht nur, weil sie kein Wasser und Futter mehr finden, sondern auch, weil sie giftige Pflanzen fressen.» Auch würden Medizinalpflanzen, die traditionell für die Behandlung von Menschen und Tieren genutzt wurden, zunehmend verschwinden.

Der Geograf arbeitet derzeit an einem Frühwarnsystem, mit dem er traditionelles Wissen und moderne Technologien zusammenbringen will, zugunsten einer nachhaltigeren Bewirtschaftung des Landes. Dazu nutzt er Satellitenbilder, die er auswertet, um möglichst früh erkennen zu können, in welchen Gebieten sich die Flora problematisch entwickelt, welche Gebiete geschützt werden sollten und wo noch Weideland und Wasser für Tiere zur Verfügung stehen. «Die Distanzen in der Region Somali sind enorm, insofern ist es für die Pastoralisten wertvoll, frühzeitig abschätzen zu können, wie die Lage woanders ausschaut.»

Die Früchte der engen Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus Basel kämen Studierenden aus der gesamten Region zugute, erzählt Seid Mohamed Ali. Die sechs Doktorierenden, die im Rahmen von JOHI ausgebildet werden, würden heute in Jijiga und im nahe gelegenen Somaliland Masterstudierende in «One Health» unterrichten. Sein mittelfristiges Ziel: «Wir wollen an unserer Universität ein Zentrum aufbauen, an dem zu ‘One Health’ geforscht und gelehrt wird und das als Schnittstelle für Kooperationen mit Universitäten weltweit dient.»

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