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DEZA
Text: Samuel SchlaefliAusgabe: 04/2023

Nirgends wird pro Kopf so viel zu «One Health» geforscht, wie in der Schweiz. Und nirgends gibt es so viele Organisationen, die sich für eine «One Health» engagieren. Dies zeigt ein «Policy Brief» des Instituts für Globale Gesundheit.

Eine Äthiopierin wird in Addis Abeba auf Covid-19 getestet: Die Schweizer Forschungsexpertise soll im Hinblick auf die Pandemieprävention, -vorbereitung und -reaktion gestärkt werden. © Michael Tewelde/Xinhua/eyevine/laif
Eine Äthiopierin wird in Addis Abeba auf Covid-19 getestet: Die Schweizer Forschungsexpertise soll im Hinblick auf die Pandemieprävention, -vorbereitung und -reaktion gestärkt werden. © Michael Tewelde/Xinhua/eyevine/laif

Die Covid-19-Pandemie hat in etwas mehr als drei Jahren beinahe sieben Millionen Menschenleben gefordert und dabei eine Reihe von humanitären und sozioökonomischen Krisen verursacht. Deshalb ist das Interesse in den internationalen Beziehungen an einem «One Health»-Ansatz für die integrierte Prävention, Überwachung und Bekämpfung von neu auftauchenden zoonotischen Krankheitserregern in den letzten Jahren stark gestiegen. Trotzdem fehlt bis heute in wichtigen internationalen, pandemierelevanten Abkommen die explizite Nennung von «One Health»-Massnahmen.

Forschung und diplomatische Erfahrung

«Traditionell lag der Schwerpunkt bei der Bekämpfung von Epidemien und Pandemien auf einer gezielten Reaktion, was durchaus von entscheidender Bedeutung ist», sagt Rafael Ruiz de Castañeda, Co-Leiter der «One Health Unit» am Institut für Globale Gesundheit der Universität Genf. «Doch die Vorbeugung wird dabei häufig vernachlässigt.» Der «One Health» komme hier eine besondere Bedeutung zu, indem Massnahmen gegen Übertragungen an der Schnittstelle Mensch-Tier-Umwelt ergriffen werden.

Ruiz de Castañeda hat im Auftrag des Eidgenössischen Departments für auswärtige Angelegenheiten (EDA) eine Metaanalyse durchgeführt zu nationalen und internationalen Initiativen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik in Hinblick auf die Bekämpfung von neuen zoonotischen Infektionskrankheiten. Unterstützt wurde er dabei von 30 nationalen und internationalen «One Health»-Expertinnen und -Experten. Die Ergebnisse wurden in einem 27-seitigen «Policy Brief» im September 2022 veröffentlicht.

«Die Schweiz ist ein Ort der wissenschaftlichen Exzellenz und der diplomatischen Tradition», sagt Ruiz de Castañeda. «Insofern nimmt sie für die Förderung der Weltgesundheit eine einzigartige Rolle ein.» Die Ausgangslage für eine aktive Rolle der Schweiz im Bereich «One Health» ist tatsächlich vielversprechend: Der Hauptsitz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt in Genf. Über 400 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind in der Schweiz tätig, wovon viele sich für die globale Gesundheit engagieren und auch in der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist die Förderung der globalen Gesundheit mittels «One Health» ein Schwerpunkt.

Mit dem Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) hat die Schweiz zudem eine Pionierinstitution, die seit Jahrzehnten Forschung zu «One Health»-Interventionen im Globalen Süden betreibt. Während der Covid-19-Pandemie, in den Jahren 2020 und 2021, hat keine andere Nation mehr Publikationen zu «One Health» pro Kopf veröffentlicht als die Schweiz. Das zeigt eine bibliometrische Analyse, welche die Autoren des «Policy Brief» durchgeführt haben. Laut Ruiz de Castañeda hat die Schweiz den «perfekten Cocktail», um den «One Health»-Ansatz auf internationalem Parkett voranzubringen.

Rolle der Internationalen Zusammenarbeit

Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass Entwicklungsländer am härtesten von den Auswirkungen einer Pandemie getroffen werden. Sie bringen schwache Gesundheitssysteme an den Rand des Kollapses und verstärken die Armut. Die Autoren und Autorinnen schlagen deshalb Massnahmen vor, um Schweizer Forschungsexpertise und die diplomatischen Instrumente für die internationale Zusammenarbeit in Hinblick auf die Pandemieprävention, -vorbereitung und -reaktion zu stärken. Zum Beispiel Aktivitäten, um den Dialog aller relevanten Akteurinnen und Akteure über verschiedene Disziplinen hinweg zu stärken, Trainings für diplomatisches Personal in Belangen der internationalen «One Health»; und Onlinekurse (MOOCs) zu «One Health»-Themen, die weltweit für alle kostenlos zugänglich sind.

Laut Ruiz de Castañeda müssen zukünftig aber auch die Expertinnen und Experten aus dem Globalen Süden selbst noch stärker in die globalen Diskussionen zur Pandemiebekämpfung involviert werden. «Die spannendsten Beispiele von praktischen «One Health»-Massnahmen für die öffentliche Gesundheit finden sich dort», sagt er. «Erfolgsgeschichten sollten möglichst breit erzählt werden, denn davon können wir viel lernen.»

Handlungsbedarf erkennt er auch in der Schweizer Forschungsförderung. Ruiz de Castañeda hat vom SNF geförderte Projekte in den Jahren 2020 und 2021 analysiert. Dabei zeigte sich, dass die meisten Forschungsgelder im Rahmen der Covid-19-Bekämpfung in die Humanmedizin flossen; spezifisch in die medizinischen Wissenschaften und die Biologie. Sozialwissenschaftliche Fragen, die für transdisziplinäre One Health-Ansätze zentral sind, wurden nur in 23 von 125 analysierten Projekten adressiert.

Auch zeigte sich, dass von den 28 internationalen Forschungskooperationen nur sechs mit Staaten im Globalen Süden durchgeführt wurden. Dies, obschon viele potenzielle Quellen von zoonotischen Virensprüngen in diesen Ländern liegen, und die dortige Bevölkerung am stärksten von den Auswirkungen einer Epidemie oder Pandemie betroffen ist. «Infektionskrankheiten und Pandemien kennen keine Grenzen», sagt Ruiz de Castañeda. «Entsprechend müssen sowohl Forschung als auch politische «One Health»-Vorstösse international koordiniert und ausgerichtet sein.»

«One Health» auf Bundesebene

Mit Inkrafttreten des neuen Epidemiengesetzes im Jahr 2016 wurde ein sogenanntes «Unterorgan One Health» geschaffen, in dem sich Fachleute aus Bundesämtern, Kantonen, Armee und Forschung regelmässig treffen. Im August 2023 hat der Bundesrat einen Bericht über die internationale Zusammenarbeit der Schweiz bei der Bekämpfung von Zoonosen verabschiedet. Dies als Reaktion auf ein Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Basierend auf den Ergebnissen des «Policy Briefs» (siehe Haupttext) sowie weiteren Studien und Erkenntnissen, beschreibt der Bericht des Bundesrates die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes und einer international koordinierten Antwort auf Zoonosen. Die Zusammenarbeit auf Bundesebene soll weiter verstärkt werden, um die Umsetzung des «One Health»-Ansatzes zu verbessern. Dies in Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren, einschliesslich der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft. Laut dem Bericht ist die Internationale Zusammenarbeit der Schweiz gut gerüstet, um diese Herausforderungen zu meistern.

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