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DEZA
Text: Samanta SiegfriedAusgabe: 01/2023

Eine Initiative will bis 2025 die ökologische Landwirtschaft in Afrika in die nationalen Produktionssysteme integrieren. Das stärkt Landwirte und schützt die Biodiversität.

Die äthiopische Bäuerin Workie Shumye verkauft auf dem lokalen Markt ihr Gemüse.  © EOA Initiative
Die äthiopische Bäuerin Workie Shumye verkauft auf dem lokalen Markt ihr Gemüse. © EOA Initiative

Workie Shumye ist eine Kleinbäuerin in Madegudina, einem Dorf in Äthiopien, rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt. Auf weniger als einem halben Hektar baut sie in ihrem Hausgarten ökologisches Gemüse, Kräuter und Getreidepflanzen an. Um das Grundstück wächst Elefantengras, das als Nahrung für ihre Hühner und Kühe dient. Den Grossteil der Ernte braucht sie, um ihre Familie zu ernähren, den Rest verkauft sie auf dem Markt. «Gesundes Essen für meine Familie hat für mich oberste Priorität, die Markteinnahmen sind ein willkommener Zusatz», sagte sie in einem Artikel der äthiopischen Zeitschrift MIZAN.

Shumye ist eine Teilnehmerin der Ecological Organic Agriculture Initiative (EOA-I), ein Projekt der NGO Biovision Africa Trust, die das Ziel verfolgt, die ökologische Landwirtschaft in Afrika zu verbreiten und die Ernährungssicherheit zu verbessern.

Die Initiative ging aus dem Entscheid der Afrikanischen Union im Jahr 2011 hervor, die ökologische Landwirtschaft in Afrika bis 2025 in die nationalen landwirtschaftlichen Produktionssysteme zu integrieren. Aktuell wird sie in den neun Ländern Benin, Äthiopien, Kenia, Mali, Nigeria, Senegal, Tansania, Uganda und Ruanda umgesetzt und zu einem grossen Teil von der DEZA unterstützt.

Im Fokus: die Wertschöpfungskette

In den letzten Jahren hat die ökologische Landwirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent tatsächlich zugenommen. Verzeichnete sie im Jahr 2016 noch 1.8 Millionen Hektar, werden inzwischen etwa zwei Millionen Hektar ökologisch bewirtschaftet. Es wird immer breiter anerkannt, dass Agrarökologie eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Ernährungsunsicherheit, Bodendegradation, Armut und Klimawandel spielt.

Gemüsemarkt in der Provinz Ketou in Benin: Den Anteil ökologischer Qualitätsprodukte auf den Märkten zu erhöhen, ist eines der Hauptziele der Landwirtschaftsinitiative EOA.  © Patrick Frilet/hemis/laif
Gemüsemarkt in der Provinz Ketou in Benin: Den Anteil ökologischer Qualitätsprodukte auf den Märkten zu erhöhen, ist eines der Hauptziele der Landwirtschaftsinitiative EOA. © Patrick Frilet/hemis/laif

Trotzdem bleiben zahlreiche Herausforderungen. «Es fehlt an politischen Bemühungen, die ökologische Landwirtschaft zu fördern», sagt Venancia Wambua, Projektleiterin der EOA-Initiative. Der Zugang zu ökologischen Hilfsmitteln und Informationen über Anbautechniken, Betriebsmitteln und Marktinfrastrukturen sei sehr beschränkt. «Es ist vor allem die Wertschöpfungskette, die wir in den Fokus nehmen müssen», sagt Wambua.

Neben Wissensvermittlung und Vernetzung der Akteure ist ein Hauptziel der Initiative, den Anteil ökologischer Qualitätsprodukte auf den Märkten lokal wie national zu erhöhen. Etwa, indem sie Produzenten bei dem Transport unterstützt, den Zugang zu Saatgut und Hilfsmittel wie Biodünger erleichtert oder sie mit Finanzinstituten vernetzt, die ihnen zinsgünstige Kredite erteilen. «Wir fördern aber nicht nur die Erzeugung der Produkte, sondern auch deren Verarbeitung zu markttauglichen Lebensmitteln, zum Beispiel Tomatensauce», sagt Wambua.

«Viele Bäuerinnen und Bauern sind an agrarökologischer Landwirtschaft interessiert», sagt Atalo Belay vom Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN), der in Äthiopien für die Beratung und Kommunikation bei der EOA-Initiative zuständig ist. Die Aussicht, ihre Erträge damit nach den ersten drei Jahren sogar zu steigern, motiviere sie zusätzlich. Belay unterstützt Kleinbauern bei den Anbautechniken, der Herstellung von Kompost oder Biodünger. Aber auch bei der Gründung von Bauernkooperativen oder Zertifizierungsverfahren, beides «sehr aufwendige» Prozesse.

Die Bäuerin Workie Shumye leitet heute einen Biobauernmarkt in der Hauptstadt Addis Abeba, der im Rahmen der Initiative entstanden ist. Auf diese Weise sollen auch Produzenten und Konsumenten vernetzt werden. Das Interesse ist offenbar da: Aufgrund hoher Nachfrage findet der Markt bereits zweimal im Monat statt, zu Beginn war es nur einmal monatlich.

Schwieriger ist es laut Belay, Kleinbauernfamilien aus sehr abgelegenen Gegenden in die Wertschöpfungskette zu integrieren. Kürzlich wurde daher in einigen Dörfern der Versuch eines Gemüsekorbes gestartet, bei dem Konsumentinnen ihre Produkte im Abo direkt von den umliegenden Bäuerinnen beziehen können.

Eigenes ökologisches Saatgut

Die Verbreitung ökologischer Landwirtschaft schützt auch die Biodiversität, wie ein Projekt in Benin zeigt. Dort hat sich eine Bauerngruppe aus 16 Mitgliedern formiert, die ihr eigenes ökologisches Bananensaatgut erzeugen. Damit reagieren sie auf das Problem, dass Landwirte in Benin fast nur Zugang zu minderwertigem Saatgut haben, das oft von Schädlingen befallen ist. Derzeit hat die Gruppe ein gemeinsames Saatbeet angelegt, in dem sie ihre Samen bis zur Auspflanzung aufbewahrt.

Und in Kenia werden Bauerngruppen, darunter vor allem Frauen und Jugendliche, in Agroforstwirtschaft weitergebildet, sodass zunehmend auch mehrjährige Bäume in den Ackerbau integriert werden. Die liefern Obst, aber auch Futter für die Tiere und schützen den Boden vor Erosion. In zwei errichteten Baumschulen werden über 35'000 Baumsetzlinge gelagert.

Die EOA-Initiative, die 2014 gestartet ist, verzeichnet bisher in allen Ländern Erfolge: Beispielsweise wurden in Äthiopien, Uganda, Tansania, Kenia, Benin und Nigeria ökologische Zertifizierungsstandards und -verfahren eingeführt, und in allen Fällen wurden die Erzeuger zertifiziert. Biobauernmärkte und Instrumente zur Sammlung von Marktinformationen und Datenbanken wurden eingerichtet und mindestens 21'000 Landwirtinnen und Landwirte dadurch an Märkte angeschlossen.

Samenvielfalt erhalten

Der fehlende Zugang zu hochwertigem Saatgut ist eines der drängendsten Probleme, die einer Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft und damit der Ernährungssicherheit im Wege stehen. Das Programm «Integrated Seed Sector Development in Africa» (ISSD) ist eine internationale Gemeinschaft, die Kleinbauernfamilien den Zugang zu hochwertigem und vielfältigem Saatgut ihrer Wahl erleichtern will. Dabei kombiniert das Projekt öffentliche und private Anstrengungen und will Ziele der Ernährungssicherheit und der wirtschaftlichen Entwicklung verbinden. So soll Saatgut besser verfügbar sein und informelle und formelle Saatgutsysteme miteinander interagieren können. Die Saatgut-Wertschöpfungskette soll gestärkt werden: von der Vermehrung des Saatguts bis zur Vermarktung, mit einem besonderen Fokus auf Unternehmertum. Das Projekt wird von der Schweiz und den Niederlanden getragen. Implementierungspartner ist das «Wageningen Centre for Development Innovation» der niederländischen Universität Wageningen.

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