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DEZA
Text: Samuel SchlaefliAusgabe: 03/2021

Der Umstieg auf nachhaltige Energien bietet auch im globalen Süden grosse Chancen. Das Schweizer Start-up-Unternehmen «Koa» nutzt Photovoltaik und Digitalisierung, um auf Kakaoplantagen in Ghana aus Abfall Mehreinkommen zu generieren.

Kakaoernte auf einer Farm in Ghana: Dank sofortiger Kühlung kann nun auch das Fruchtfleisch weiterverarbeitet werden. © Ben Rotthoff
Kakaoernte auf einer Farm in Ghana: Dank sofortiger Kühlung kann nun auch das Fruchtfleisch weiterverarbeitet werden. © Ben Rotthoff

Mit einer Jahresproduktion von rund 800'000 Tonnen getrockneten Kakaobohnen ist Ghana der zweitgrösste Kakaoproduzent der Welt. Die dortigen Plantagen liegen meist schwer zugänglich im Dschungel und verfügen über wenig Infrastruktur; die Bauern sind oft arm und von fluktuierenden Grosshandelspreisen abhängig. Unsere Freude an der süssen Delikatesse hat einen bitteren Nachgeschmack: Über 1,5 Millionen Kinder arbeiten in Ghana und der Elfenbeinküste bis heute auf Kakaoplantagen.

Mit der Photovoltaik im Hinterkopf

Als Anian Schreiber 2017 als Vertreter für ein internationales Photovoltaikunternehmen durch Westafrika reiste, suchte er nach einer Geschäftsidee, um die Armut der Menschen zu lindern und ihre Abhängigkeit vom globalen Grosshandel zu mindern. Erst dachte er daran, Sonnenenergie möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Doch während seiner Reisen hatte er oft Kontakt zu Kakaobauern. Dabei fiel ihm auf: Für die Schokoladenproduktion werden nur die Bohnen der Kakaofrucht genutzt. Das Fruchtfleisch, auch Pulpe genannt, macht 25 Prozent des Gesamtgewichts aus und landet im Abfall.

Anian Schreiber wollte das ändern und aus der Pulpe ein ebenso genussvolles Produkt produzieren wie aus den Bohnen. Doch dafür muss der Saft aus dem Fruchtfleisch sofort nach der Ernte extrahiert, gekühlt und konserviert werden. Das benötigt viel Energie – und dies an Orten, wo es meist keine Stromversorgung gibt. Hier kam nun Schreibers Know-how in Photovoltaik ins Spiel.

Dreiradmopeds für die Saftproduktion

Gemeinsam mit seinem Kollegen Benjamin Kuschnik entwickelte er in Partnerschaft mit der ETH Zürich und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) sowie finanziell unterstützt durch die Förderplattform «Repic» (siehe Kasten) eine mobile Kakaofrucht-Verarbeitungsstation, die mit Sonnenenergie betrieben wird.

«Die Photovoltaik hat in Afrika unglaubliches Potenzial», sagt Anian Schreiber. «In ihr liegt die Basis für eine Mikroindustrialisierung auf dem Kontinent, ohne dass dafür neue Stromnetze gebaut werden müssten.» Heute sind in Ghana 13 Dreiradmopeds mit einer sonnenbetriebenen Kakaofrucht-Verarbeitungsstation in Betrieb. Während der Ernte fahren diese in die unmittelbare Umgebung von Kakaofarmen. Dort werden die Früchte geöffnet und von der Schale befreit. Danach wird das Bohnen-Fruchtfleisch-Gemisch zur Verarbeitungsstation gebracht, um die Pulpe zu extrahieren. Die wertvollen Bohnen für die Schokoladenproduktion gehen danach zurück an die Bauern.

Im Verarbeitungszentrum in Assin Akrofuom im Süden Ghanas wird der Saft pasteurisiert und haltbar gemacht sowie für den internationalen Export vorbereitet. Bis Mitte 2021 haben rund 1000 Kleinbetriebe ihre Ernte an Koa geliefert. Im Zentrum können jährlich 250'000 Liter Kakaofruchtsaft produziert werden. Heute beschäftigt Koa 35 ghanaische Mitarbeitende, davon acht in Managementpositionen. Während der Ernte kommen nochmals rund 30 saisonale Arbeiterinnen und Arbeiter hinzu.

Mehr Transparenz dank Digitalisierung

Eine der grossen Herausforderungen für Koa war der Aufbau einer Lieferkette. Anian Schreiber erinnert sich: «Experten aus der Schokoladenindustrie haben uns gesagt: Das ist unmöglich – ihr könnt nicht eine verlässliche Lieferkette direkt mit den afrikanischen Kleinbauern aufbauen.» Koa bewies das Gegenteil und setzte dafür auf Digitalisierung. Das Team hat eine App entwickelt, mit welcher jeder Bauer, der Kakaofrüchte für das Unternehmen liefert, seinen Betrieb registriert, inklusive der Anzahl bepflanzter Hektaren sowie Kontakt- und Zahlungsdaten. Der Vertrag wird per Smartphone mit einem Fingerabdruck unterschrieben und den Lohn erhalten die Bauern per «Mobile Money» direkt auf ihr Handy.

Dank der lückenlosen digitalen Verfolgung des Safts, kann der Endkunde über einen QR-Code die gesamte Produktkette nachverfolgen. Er weiss aus welcher Gemeinde sein Saft kommt und wieviel Geld dort an die Bauern geflossen ist. Mittlerweile setzen in Europa namhafte Confiseure und Barkeeper zur Verfeinerung von Drinks, Desserts und Patisserie auf Koas Kakaofruchtsaft. Und seit kurzem kooperiert das Start-up mit dem Schokoladenproduzenten «Lindt & Sprüngli», der Anfang Jahr erstmals eine Schokolade lancierte, die zu 18 Prozent aus dem Pulver der Kakaopulpe besteht und dadurch ihre Süsse alleine aus der Kakaofrucht bezieht.

30 Prozent Mehreinkommen

«Unser eigentliches Ziel ist es, die Industrie dorthin zu bewegen, dass mehr Wertschöpfung aus der Kakaoproduktion in Afrika zurückbleibt», sagt Anian Schreiber. Dass die Frucht vollumfänglicher verwertet werde, sei der erste Schritt dafür. Laut Koa können Kleinbauern bei einer ganzjährigen Zusammenarbeit ein Zusatzeinkommen von bis zu 30 Prozent erwirtschaften. «Das ist auch ein wichtiger Beitrag gegen Kinderarbeit, denn diese geht oft auf fehlende Einkommen zurück», ist Anian Schreiber überzeugt.

Die Verarbeitung des Produkts findet bei Koa heute vollumfänglich in Ghana statt. Doch da der Kakaofruchtsaft und das -pulver bislang ausschliesslich exportiert werden, fällt nach wie vor ein bedeutender Teil der Wertschöpfung im Ausland an. Das soll sich jedoch bald ändern: «Ab 2022 wollen wir unsere Produkte auch in Ghana einführen», sagt Anian Schreiber.

Plattform für nachhaltige Projekte im globalen Süden

Repic (Renewable Energy, Energy and Resource Efficiency Promotion in International Cooperation) ist eine interdepartementale Plattform zur Förderung der erneuerbaren Energien sowie der Energie- und Ressourceneffizienz in der internationalen Zusammenarbeit. Sie wird von vier Bundesämtern getragen: Dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), der DEZA, dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und dem Bundesamt für Energie (BFE). Ziel ist die vorkommerzielle Unterstützung von Projekten im Nachhaltigkeitsbereich mit starker Ausrichtung auf lokale Bedürfnisse. Die finanziellen Beiträge umfassen maximal 150'000 Franken pro Projekt. Seit Beginn im Jahr 2004 wurden über 140 Projekte gefördert. Koa-Gründer Anian Schreiber sagt: «Repic war der Grundstein für alles. Die Förderung hat unsere Glaubwürdigkeit gestärkt und einen Zugang für weitere Investoren eröffnet.»

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