Das DEZA-Magazin für
Entwicklung und Zusammenarbeit
DEZA
Ausgabe: 04/2023

Seit einigen Jahren sind Demografinnen, Statistiker und Soziologinnen alarmiert. Afrika explodiert demografisch gerade, Familien mit sechs bis neun Kinder gehören zur Norm. Die von Arbeitskräften und von staatlicher Seite bereitgestellten Ressourcen reichen jedoch nicht aus, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken.

Die Überlegungen gehen von der historischen Demografie Afrikas und Projektionen bis 2050 aus. Um 1900 lebten dort 100 Millionen Menschen, 1960 waren es 275 Millionen und 1990 bereits 640 Millionen. Heute leben 1,4 Milliarden Menschen auf dem afrikanischen Kontinent, und bis 2050 dürften es 2,5 Milliarden sein.

Sorgen darüber macht man sich nicht nur im Westen, sondern auch bei manchen afrikanischen Regierungen. In Benin stand das Thema am 3. Mai 2023 auf der Traktandenliste des Ministerrats, und im September fand eine nationale Tagung dazu statt. Unter dem Titel «Bevölkerungszunahme und Entwicklung» wurde die Thematik aufgrund der Vorhersagen für alle Bereiche des sozialen und wirtschaftlichen Lebens beleuchtet.

Im Hinblick auf den Umgang mit dem Phänomen stellt sich unbestritten die wesentliche Frage der Geburtenrate und ihrer Regulierung. Die von einem Journalisten des Landessenders durchgeführte Umfrage offenbarte eine gewisse Abneigung der Bevölkerung gegen strikte Geburtenregelungen.

Ob man die Anzahl Kinder pro Familie auf zwei oder drei beschränken sollte, halten die Beninerinnen und Beniner für eine persönliche Frage, ausserdem sei das Land ja nicht so dicht bevölkert, dass man die Einwohnerzahl senken müsste.

In der althergebrachten Kultur vermag das anderswo bekannte Konzept vom «Kind als König» kaum Fuss zu fassen. In Benin sieht man in Kindern primär helfende Hände, die zum Wohlstand der Familie beitragen sollen. Deshalb ist auch Polygamie weit verbreitet, schliesslich sorgt sie für ganz viele helfende Hände.

Abgesehen von diesem Gesellschaftsmodell hält sich auch die Vorstellung hartnäckig, dass eine Frau nur als Mutter existiert. Mehrfache Mutter zu sein erhöht das Ansehen und verleiht eine privilegierte gesellschaftliche Rolle. Sechs oder sieben Kinder zu haben stellt eine unbestrittene Reichtumsquelle dar und steht für die Weitergabe des familiären Erbes.

Allerdings schreiben wir das Jahr 2023. Der Wandel zu einer modernen Gesellschaft mit neuen Geschlechterparadigmen ist im Gang, aber die Frauen auf dem Land – die zahlreicher und oft ärmer sind – entscheiden letztlich selbst über ihren Kinderwunsch und die Demografie Benins. Doch angesichts jahrhundertealter patriarchalischer Traditionen ist sie sich dessen noch nicht bewusst und hat auch nicht die Macht dazu.

FLORENT COUAO-ZOTTI kommt aus Benin und ist Journalist und Kunstkritiker. Er hat in Frankreich zwei Dutzend Romane, Novellen und Theaterstücke publiziert und wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa 2019 mit dem Prix Roland Jouvenel der Académie française. Er lebt und arbeitet in Cotonou, dem wirtschaftlichen Zentrum und Benins grösster Stadt.

© zVg
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