Seit der Coronakrise und dem Militärputsch von 2021 hat geschlechtsspezifische Gewalt in Myanmar zugenommen. Ein weitreichendes Programm bietet Betroffenen eine Reihe von Dienstleistungen, stärkt die Ressourcen der Zivilgesellschaft und sensibilisiert die Gemeinschaften für präventive Ansätze.
Hur Jannat rollen Freudentränen über die Wangen. Sie ist überglücklich, wieder zur Schule gehen zu dürfen. Seit dem Tod ihres Vaters hatte ihr Onkel die junge Rohingya unterstützt, doch plötzlich entschied er, dass sie zu alt zum Lernen sei. Hur Jannat ist 16 Jahre alt. In Myanmar, wo sie lebt, «dürfen Teenager das Haus nicht verlassen, und viele werden früh verheiratet», erzählt sie. Genau dies war das Schicksal, das ihr Onkel für sie geplant hatte.
Die junge Frau fiel daraufhin in tiefe Verzweiflung – bis sie an einer Sensibilisierungsveranstaltung teilnahm, die sich insbesondere mit geschlechtsspezifischer Gewalt befasste. Die Veranstaltung in ihrem Dorf Kun Taing im Westen des Landes war Teil des Programms «Frauen und Mädchen zuerst» des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), das von der DEZA unterstützt wird.
Nach der Veranstaltung vertraute Hur Jannat ihre Probleme der Moderatorin an und schlug vor, eine Diskussion mit ihrem Onkel zu organisieren. Gesagt, getan – ein paar Tage später kam es zu einem Austausch, der zu einer echten Erkenntnis führte: Dem Onkel wurde bewusst, dass er bei seiner Entscheidung «weder die Rechte der Frauen noch die Folgen früher Verheiratung» bedacht hatte. Er machte deshalb den Entscheid rückgängig und liess seine Nichte wieder studieren.
Das Phänomen der frühen Verheiratung hat in letzter Zeit zugenommen. Gründe dafür sind die Coronakrise sowie der Staatsstreich vom 1. Februar 2021. Damals übernahm die Militärjunta die Macht, und Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde festgenommen. Seither toben in Myanmar Kämpfe zwischen der Armee einerseits und der People’s Defence Force sowie Organisationen ethnischer Rebellen andererseits. «Der Umsturz hat alle Fortschritte des Landes hin zu einer jungen Demokratie zunichte gemacht. Da sich die Armut verschlimmert hat und der Zugang zu Gesundheitsdiensten schwierig ist, hat die Gewalt gegen Frauen und Mädchen allgemein zugenommen», erklärt Séverine Weber, stellvertretende Leiterin für Internationale Zusammenarbeit an der Schweizer Botschaft in Myanmar.
Das Programm «Frauen und Mädchen zuerst» bietet medizinische, psychosoziale, juristische und berufliche Unterstützung. Zudem werden die Gemeinschaften, die Zivilgesellschaft und die religiösen Führer für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen sensibilisiert. Genau wie Hur Jannat haben Tausende von ihnen von dem Projekt profitiert.
Am 14. Mai dieses Jahres traf der Wirbelsturm Mocha auf die Küsten von Bangladesch und Myanmar und verursachte gewaltige Niederschläge, Flutwellen und Sturmwinde. In der Provinz Rakhaing kamen – je nach Quelle – zwischen 160 und 400 Menschen ums Leben, zumeist Rohingyas. Tausende Gebäude wurden zerstört und Infrastrukturen schwer beschädigt. Zur Unterstützung der betroffenen Bevölkerung leistete die Schweiz einen Beitrag von 3,1 Millionen Franken. Rund 2,4 Millionen Franken wurden dem Myanmar Humanitarian Fund der UNO sowie von der Schweiz unterstützten Partnern in der Region zur Linderung der Not infolge des Wirbelsturms zur Verfügung gestellt. Die restlichen 700'000 Franken wurden dem UNHCR in Bangladesch zum Bau sicherer und solider Unterkünfte für die von der Katastrophe betroffenen Menschen zugeteilt.