Das DEZA-Magazin für
Entwicklung und Zusammenarbeit
DEZA
Ausgabe: 01/2022

Von Büchern über Musik, Veranstaltungen, Filmen bis zu Aus- und Weiterbildungen: Tipps und Wissenswertes für alle.

Fotografisches Meisterwerk

© James Barnor /Autograph ABP, London
© James Barnor /Autograph ABP, London

(bf) Das MASI – Museo d’Arte della Svizzera italiana – in Lugano zeigt eine der umfassendsten und vollständigsten Retrospektiven, die dem ghanaischen Fotografen James Barnor je gewidmet wurden. Die von den Serpentine Galleries in London konzipierte Ausstellung «James Barnor: Accra/London – A Retrospective» dokumentiert die seit über sechs Jahrzehnten andauernde Karriere des Künstlers, im Laufe derer er sich an allen fotografischen Genres versucht hat: von Studioporträts bis zu journalistischen Reportagen, von Modefotos bis zur Strassenfotografie. Mit seinen Aufnahmen, die sich durch einen offenen Blick und eine spontane Herangehensweise auszeichnen, erzählt der 1929 in Accra geborene Barnor von den sozialen und politischen Veränderungen, die die Geschichte seines Landes sowie diejenige der afrikanischen Gemeinschaft in London geprägt haben. Die Ausstellung präsentiert Werke aus dem persönlichen Archiv des Künstlers, darunter zahlreiche unveröffentlichte Bilder mit Schwerpunkt auf den Jahren 1950 bis 1980.

«James Barnor: Accra/London – A Retrospective» bis am 31.07.2022 im MASI Lugano

Ausstellung

Indigenes Umweltwissen

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(zs) Die Massai Kenias und Tansanias, die Kariben Guyanas oder die Maori Neuseelands: Überall auf der Welt pochen fast 500 Millionen Ureinwohner auf ihre Rechte angesichts der Umweltungerechtigkeit, die ihre Gesundheit, Kultur und Wirtschaft bedroht. All diese Gemeinschaften erweisen sich als besonders verletzlich: Ihr Lebensunterhalt hängt stark von der natürlichen Umgebung ab. Dabei verfügen die Ureinwohner über wertvolle Kenntnisse und uraltes Know-how zum Bewahren von Biodiversität, Wasser, Böden und Ökosystemen. Wie sie vorgehen, um der vom Klimawandel beschleunigten Bodenverödung die Stirn zu bieten, zeigt das Ethnographische Museum Genf. Die Ausstellung «Injustice environnementale. Alternatives autochtones» präsentiert ihre Ethik der Pflege sowie ihre Schadensbegrenzungen. Biografien, Videos und Kunstwerke lassen die Männer und Frauen zu Wort kommen, die ihr Land schützen und ihre Traditionen den nachfolgenden Generationen weitergeben wollen.

«Injustice environnementale. Alternatives autochtones» im Musée d’Ethnographie de Genève MEG, bis 21.08.2022

Musik

Sonniger Sound

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(er) Hierzulande ist sie bis jetzt wenig bekannt. In ihrer Heimat, im ostafrikanischen Binnenland Uganda, ist Rachel Magoola eine Koryphäe. In der sogenannten Republik des Langzeitherrschers Yoweri Museveni setzt sich die Sängerin für die Bildung junger Menschen ein, engagiert sich für Mädchen- und Frauenrechte und wurde letztes Jahr als Frauenbeauftragte für die Nationale Widerstandsbewegung ins Parlament gewählt. In einem Land, wo Sängerinnen lange verrufen waren, veröffentlicht sie nun bereits ihr siebtes Solo-Album «Resilience». Mit ihrer hellen, warm-weichen Stimme, zuweilen mit sanftem Chor-Support, berichtet die 56-Jährige in ugandischen Dialekten über widrige Lebensbedingungen der Bevölkerung. Trotz dieser tiefgründigen Texte groovt ihre siebenköpfige Begleit-Combo behutsam, locker und virtuos Bass, Gitarre, Keyboard, Flöte und Schlagzeug sowie Endingidi (einsaitige Geige), Adungu (neunsaitige Bogenharfe), Embaire (Xylophon), Daumenklavier und traditionelle Perkussion – der sonnige Sound fährt in die Beine.

Rachel Magoola: «Resilience, Songs of Uganda» (ARC Music/Naxos)

Überwältigendes Hörerlebnis

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(er) Überraschend und quer, spannend und aufregend, mystisch und intensiv, elektrisch und eklektisch ist die Klangwelt des 2011 gegründeten Trios «Monsieur Doumani» aus Zypern. Eigenwillig gestaltet wird diese in ihrem vierten Album durch mit Effektpedalen verfremdete Tonfolgen von Instrumenten wie die Tzouras, eine Miniaturausgabe der griechischen Schalenhalslaute Bouzouki, der auch perkussiv gespielten Gitarre und der als Bass wirkenden Posaune. Filigran und vielschichtig vermischen sich mediterrane Klangfarben mit westafrikanischen Musikspuren zu einem hypnotischen Avantgarde-Folk. Mit seinen türkisch-psychedelischen Anklängen erweckt er, wie es der griechisch-zyprische CD-Titel «Pissourin» für komplette Dunkelheit verheisst, nächtliche Stimmungen mit im Schein des Mondes, der Sterne und Planeten tanzenden Kobolden und Elfen. Dies beobachtet eine Eule genau. Darüber berichtet der mehrstimmige, recht düstere Männersprechgesang, die entsprechenden Texte sind im Booklet in Englisch aufgeführt. Alles im allem: ein überwältigendes Hörerlebnis.

Monsieur Doumani: «Pissourin» (Glitterbeat/Indigo)

Unvergleichliche Hommage

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(er) Er gilt als Pionier des Toastens, des monotonen, im jazzigen Scatsinging wurzelnden Sprechgesangs über Reggae- und Dancehall-Riddims der Deejays und damit auch als einer der Wegbereiter von Hip-Hop und Rap. Im Februar 2021 ist Ewart Beckford, aka U-Roy im Alter von 78 Jahren gestorben. Das 2020 wegen der Pandemie verschobene Release des Albums «Solid Gold» der jamaikanischen Reggae-Ikone erfolgte nun posthum. Auf den zwölf Tracks entwickelt seine charismatisch raue, hie und da von Hall beeinflusste Stimme mit humorvollen, auch mal zynischen Freestyle-Lyrics eine mitreissende Energie, betont von pumpenden Saiten- und Percussions-Tunes sowie fetten Synthesizer- und Bläser-Sätzen. Zu hören sind zudem Gäste wie die jamaikanischen Musiker Ziggy Marley, Shaggy, Sly & Robbie, die südafrikanische Sängerin Santigold und viele mehr. Neu aufgenommene Klassiker wie «Rule The Nation», «Wear You To The Ball» oder «Wake The Town» und dazu aktuelle Songs stehen für eine U-Roy-Hommage, die unvergleichlich ist.

U-Roy: «Solid Gold» (Trojan Jamaica/BMG)

Filme

Interagierendes Festival

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(zs) Das Filmfestival und Forum für Menschrechte FIFDH in Genf feiert sein 20. Jubiläum. Auf dem Programm stehen Filme, spezielle Begegnungen und Debatten. Bei den Dokumentarfilmen sticht «Le dernier refuge» des malischen Regisseurs Ousmane Zoromé Samassékou heraus: Einem Refugium für alle nach Europa Strebenden oder von da Zurückkehrenden gleich steht das «Migrantenhaus» am Rande des Sahel. «Was fühlt und braucht man, wenn Träume vom Sand verweht wurden oder auf ihre Verwirklichung warten?», fragt der Film, in dessen Folge über sexuelle Gewalt auf den Migrationsrouten diskutiert wird. «Children of the Enemy» ist eine Reportage des in Schweden lebenden Chilenen Gorki Glaser-Müller. Sein Film erzählt den Albtraum von Patricio Galvey, dessen Tochter sich mit ihrem schwedischen Ehemann nach Syrien abgesetzt hat und dort umgekommen sind. Patricio macht sich auf die Suche nach seinen sieben Grosskindern, welche in Syrien ohne Hoffnung auf Rückkehr vom einen Lager ins nächste verschoben werden.

Festival du film des droits humains, 04. bis 13.03.2022, Genf

Rupas Weg in die Selbstständigkeit

© fillmingo
© fillmingo

(bf) Der Dokumentarfilm «Digitalkarma» des Schweizers Mark Olexa und der Italienerin Francesca Scalisi begleitet über mehrere Jahre hinweg eine junge Frau aus Bangladesch auf ihrem Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit. Der mit internationalen Preisen ausgezeichnete Film lässt sein Publikum Anteil nehmen am Leben von Rupa und anderer Bengalinnen, die versuchen, ihrem von Traditionen bestimmten Schicksal zu entkommen. Teeplantagen in den nebligen Hügeln und bunte Dorfszenen im Nordosten des Landes bilden den Hintergrund. Mit einem Velo, einer Videokamera und ihren Fachkenntnissen nimmt Rupa ihr Leben in die Hand und versucht, das fragile Gleichgewicht zwischen Aufbruch und Tradition einigermassen aufrecht zu erhalten, bis ein Entscheid des Vaters und der Brüder ihr Leben verändert. Entschlossen, vor der Zwangsheirat zu fliehen und sich von den Traditionen ihres Landes zu befreien, beginnt das Mädchen eine Ausbildung in der Digitaltechnik.

«Digitalkarma», Dokumentarfilm von Mark Olexa und Francesca Scalisi; der Film kann auf der VOD-Plattform gestreamt werden.

Filmisches Gemälde aus Lesotho

© trigon-film
© trigon-film

(wr) Einen Spielfilm aus Lesotho im südlichen Afrika gibt es nicht alle Tage, und schon gar nicht einen, der uns mit eindrücklichen Tableaus und einer zutiefst beeindruckenden Hauptdarstellerin verzückt. In der malerischen Berglandschaft Lesothos erfahren die Leute, dass ein Stausee entstehen soll und alle umsiedeln müssen. Die alte Witwe Mantoa wehrt sich. Sie will wie ihre Vorfahren in dieser Erde begraben werden, beschwört die althergebrachten Werte der Basotho und entfacht den kollektiven Geist des Widerstands in der Dorfgemeinde. Mit «This is not a Burial, it’s a Resurrection» hat Lemohang Jeremiah Mosese seinen ersten Spielfilm gestaltet. Der Rhythmus ist beschaulich wie das Leben im Tal von Nazareth. Mitunter hat man das Gefühl, ein Gemälde zu betrachten von einem grossen flämischen Meister, der biblische und mythologische Szenen auf Leinwand bannte. Das Gesicht Mantoas scheint sich der Landschaft angeglichen zu haben, hat im Lauf eines langen Lebens die Hügel und Täler angenommen: Es ist eine Landschaft für sich, und der Filmemacher bewegt sich auch in ihr.

«This is not a Burial, it’s a Resurrection» von Lemohang Jeremiah; erhältlich als DVD in der Originalversion in der Bantusprache Sesotho sowie mit Untertiteln in Deutsch und Französisch bei www.trigon-film.org

Lehrmittel

Trockene Stadt am Kap

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(sg) Ab 2015 erlebte die südafrikanische Metropole Kapstadt eine dreijährige Dürreperiode und eine damit verbundene Wasserknappheit. Im Oktober 2017 setzte die Regierung Wasserbeschränkungen durch und ordnete Rationalisierungen an, um zu verhindern, was unvermeidlich schien: Day Zero. Der Tag, an dem die Wasserhähne in der ganzen Stadt versiegen würden. Der Kurzfilm «Scenes From a Dry City» zeigt Kapstadt auf dem Höhepunkt der Wasserkrise. Einzelne Bewohner und Bewohnerinnen versuchen, die Wasserbeschränkungen zu umgehen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Familien erdulden lange Schlangen an den Wasserausgabestellen. Es kommt zu Protesten, die auf die ungleiche Verteilung des Wassers aufmerksam machen. Die Filmemacher machen deutlich, wie unterschiedlich die Bedingungen der Stadtbevölkerung in der Krise sind und wie bereits bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt werden.

«Scenes From a Dry City» von Simon Wood und François Verster; Südafrika 2019; mit passenden Impulsen für Unterricht.

Bücher

Facettenreiches Schicksal

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(bf) Die junge Muslimin Jivan, aufgewachsen in einem Slum in Kolkata (früher Kalkutta), bringt es bis zur Verkäuferin in einem Modegeschäft, als ein Terroranschlag ihr Leben aus den Angeln hebt und sie ins Visier der indischen Regierung gerät. Lovely, eine Transfrau, träumt von den ganz grossen Rollen als Bollywood-Star und könnte Jivans Unschuld bezeugen. Doch will sie ihren Durchbruch als Schauspielerin wirklich gefährden? Und dann ist da noch PT Sir, ein Sportlehrer, der in einer rechtskonservativen Hindu-Partei Karriere macht. In ihrem Debütroman «In Flammen» zeigt Megha Majumdar berührend und tiefgründig das moderne Indien mit all seinen Widersprüchen: ein gespaltenes Land, in dem Ambition, Klasse und Religion all jene zu Feinden machen, die auf ein besseres Leben hoffen, erst recht, wenn sie einer Minderheit angehören. Megha Majumdar ist in Kolkata, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Westbengalen, geboren und aufgewachsen. Nach einem Studium der Sozialanthropologie in Harvard lebt sie mittlerweile in New York.

«In Flammen» von Megha Majumdar, Piper Verlag 2021

Ayas kleine Schwester Akissi

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(bf) Akissi lebt zusammen mit ihrer Mutter, die sich ein weiteres Kind wünscht, in Westafrika. Weil der Wunsch trotz aller Bemühungen nicht in Erfüllung zu gehen scheint, ruft die Mutter den Grossen Marabout des Dorfes zu Hilfe. Doch die «Kraft» des Zauberers nimmt seltsame Formen an: Er beschuldigt Akissi, sich keinen kleinen Bruder zu wünschen, behandelt sie als kleinen Teufel und zwingt sie eine schreckliche Mixtur zu trinken. Dies in der Hoffnung, dass der Trank das Mädchen in eine Fantasiewelt versetzt, in der sie sprechende Tiere in magischen Wäldern sucht und dabei höchst verwirrenden Dingen und Gestalten begegnet. Nach ihrer auch international erfolgreichen Graphic Novel-Serie «Aya» erzählen die Autorin Marguerite Abouets aus der Elfenbeinküste sowie der französische Zeichner Mathieu Sapin nun hinreissend komisch, voller Lebensfreude und fernab westlicher Klischees Alltagsabenteuer aus dem Leben von Akissi.

«Akissi 3: Magische Mixtur» von Abouet und Sapin, Verlag Reprodukt 2021

Persisches Fingerspiel

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(bf) «Durstig ist das Vogelkind, lauft zur Pfütze hin geschwind. Aber ei, da fliegt es hin und landet mittendrin. Der Erste zieht es raus, der Zweite reibt es ab und auch der Dritte macht sich nützlich. Doch wer hat das Vogelkind eigentlich in die Pfütze geschubst, fragt der Vierte. Ich hab’s doch nur gestupst, gesteht leicht zerknirscht der Fünfte, der mit der grossen Mütze.» Diesen Abzählreim mit Fingerspiel kennt im Iran jedes Kind. Die Pfütze liegt im Handteller und als das Vogelkind hinfällt, hat jeder Finger seine Aufgabe. Dabei beginnt der Vers mit dem kleinen Finger, und der Schelm ist am Ende der dicke Daumen. So wird das Zählen zum Kinderspiel. Der iranische Autor Reza Dalvand aus Teheran hat aus dem alten, mündlich überlieferten Vers aus der persischen Kultur ein bezauberndes kleines Buch geschaffen. Wer will, kann den Vers gar auf Persisch sprechen: Dalvand hat den Originaltext als Ornament ins Bild integriert.

«Plitsch, platsch, pitsch, patsch» von Reza Dalvand; Baobab Books 2021

Möchten Sie sich aus erster Hand über die Schweizer Aussenpolitik informieren? Referentinnen und Referenten des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) stehen Schulklassen, Verbänden und Institutionen für Vorträge und Diskussionen zu zahlreichen aussenpolitischen Themen zur Verfügung. Der Vortragsdienst ist kostenlos, kann seine Dienstleistungen jedoch nur innerhalb der Schweiz anbieten, und es sollten mindestens 30 Personen an der Veranstaltung teilnehmen.
 

Informationen

Vortragsservice, Kommunikation EDA, Bundeshaus West, 3003 Bern
Tel. +41 58 462 31 53, Mail: vortragsservice@eda.admin.ch

Erzwungenes Aufbrechen

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(bf) Vier Frauen und ihre bewegten Familiengeschichten über vier Generationen sowie der sich ständig wiederholende Aufbruch und das Exil zwischen dem Nahen Osten und Europa stehen im Mittelpunkt des Erstlingsromans von Jadd Hilal. Der in Genf geborene Philologe erzählt von der Palästinenserin Naïma, die mit zwölf verheiratet wird und 1947 in den Libanon fliegt. Von der eigenwilligen Tochter Ema, die sich gegen den gewalttätigen Vater zur Wehr setzt und während des libanesischen Bürgerkriegs nach Europa aufbricht. Und schliesslich von Dara, die aus Sehnsucht in den Libanon zurückkehrt und mit ihrer Tochter Lila erneut aufbrechen muss, als der Krieg in ihr Dorf kommt. Nüchtern, mit grosser Erzählkunst und schlichter Poesie erzählt Hilal von den überstürzten Aufbrüchen, dem Exil, der Herrschaft der ebenso gewalttätigen wie verwirrten Männer und dem tiefen Wunsch zu entkommen. Der Roman wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

«Flügel in der Ferne» von Jadd Hilal; Lenos Verlag Basel 2021

Parlament der Geister

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(bf) Der ghanaische Künstler Ibrahim Mahama realisierte 2020 in Tamale, Ghana, das Projekt «Parliament of Ghosts». Das Herzstück der Installation besteht aus einer geisterhaften Ansammlung von verlorenen Objekten, die gerettet und umfunktioniert wurden, um sie zu einem Parlamentsraum zusammenzufügen. Beispielsweise arrangiert er Hunderte alter Schubkarren, die er von Arbeiterinnen und Arbeitern in Ghana eingesammelt und im Austausch gegen neue Modelle erhalten hat. Die rostigen, abgenutzten Karren tragen deutliche Spuren täglicher schwerer Arbeit und können als deren Symbole verstanden werden. Gleichzeitig stehen sie für den Aufbau, der sich auch architektonisch in der Geschichte des Heimatlandes des Künstlers manifestiert. Nachdem das Parliament of Ghosts international an Ausstellungen gezeigt wurde, hat der Künstler dieses als massives Gebäude in rotem Lehm in Tamale errichten lassen. Mittlerweile ist es ein aktiv genutzter Ort sozialer Begegnungen, ein Forum für Austausch, Diskurs, Bildung und Kreativität. Nun sind Mahamas Arbeiten und sein Engagement rund um das «Parliament of Ghosts» in Buchform mit grossartigen Fotos seiner Installationen, Skizzen sowie Begleittexten erschienen.

«Ibrahim Mahama / Vanishing Points 2014-2020»; Kerber Verlag 2021

Goldenes Bengalen

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(bf) Vor einem halben Jahrhundert erlangte Bangladesch nach hartem Freiheitskampf seine Unabhängigkeit. Das Gedicht «Mein goldenes Bengalen» des indischen Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore drückte den Traum derjenigen aus, die für ein freies Bangladesch kämpften. Einst galt das Land vielen als hoffnungsloser Fall. Inzwischen ist es geradezu ein Musterbeispiel für erfolgreiche Entwicklungspolitik. Der promovierte Historiker und Entwicklungsexperte René Holenstein war von 2017 bis 2020 Schweizer Botschafter in Bangladesch. Er geht in seinem Buch «Mein goldenes Bengalen – Gespräche in Bangladesch» den Fragen nach, wie diese Erfolge möglich waren und was aus den Ideen von Freiheit, Gleichberechtigung, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, die dem Unabhängigkeitskampf zugrunde lagen, geworden ist. Im Zentrum des Buches stehen Porträts von 20 Bangladeschi, die ihre Stimme für Freiheit und Recht, Würde und Menschlichkeit, Entwicklung und Selbstbestimmung erheben. Sie zeugen von der sprachlich-kulturellen und religiösen Vielfalt sowie der Dynamik eines Landes, das wie kein anderes von Globalisierung und Klimakatastrophe betroffen ist.

«Mein goldenes Bengalen» - Gespräche in Bangladesch von René Holenstein; Chronos Verlag 2021

Fernsucht

Musik als Friedensstifterin

© Gian Ehrenzeller
© Gian Ehrenzeller

Cornelia Müller teilt ihre Liebe zur Musik seit Jahrzehnten mit der Bevölkerung eines abgelegenen Bündner Tals.

Musik ist eine universelle Sprache – das Gehör reicht, um sie wahrzunehmen. Du musst nicht wissen, ob es ein klassisches oder zeitgenössisches Stück ist oder es sich um sibirischen Obertongesang handelt. Du musst einzig bereit sein, dich mitreissen, überraschen und inspirieren zu lassen. Musik ist mächtig. Wenn wir ihr wirklich zuhören, könnte sie die Welt befrieden. Ein Orchester kann nur dann schöne Kompositionen schaffen, nur dann Wunder bewirken, wenn seine Mitglieder aufeinander eingehen und nicht gegeneinander spielen. Um Musik zu machen, braucht es – genau wie im Leben – Harmonie. Ich habe meine Balance im Valposchiavo gefunden. Sitze ich irgendwo in den Bergen und schaue ins Tal, sehe ich nur Schönheit. Und diese Schönheit versuche ich mit anderen Musikerinnen und Musikern zu teilen. Von 1999 bis 2012 organisierte ich Uncool, ein Festival für zeitgenössische Jazzmusik. Ich habe Kunstschaffende aus Brasilien, Japan, Amerika, Italien, Frankreich, England, Russland, Deutschland und der Schweiz eingeladen. Aus diesen Begegnungen entstanden überraschende Kooperationen. So nahm beispielsweise das amerikanische Jazzorchester Sun Ra Arkestra von Marshall Allen an einem Festival für traditionelle Musik in der Republik Tuwa in Sibirien teil. Meine Liebe zur Musik teile ich mit der Bevölkerung des Puschlav. Ich möchte die Kultur in eine ländliche, alpine Umgebung bringen, weg von den grossen Zentren. 2013 habe ich «Artists in Residence» gegründet. Kunstschaffende verbringen drei Wochen im Tal, umgeben von Stille, Bergen und einer inspirierenden Umgebung. Am Ende ihres Aufenthalts treten sie vor einem lokalen Publikum auf. Die Initiative ist ein unerwarteter Erfolg, der allein auf Mundpropaganda zurückzuführen ist. Da ich nicht mehr durch die Welt reise, bringe ich die Welt und ihre Musik nun nach Hause, um sie mit denen zu teilen, die gerne zuhören.

(Aufgezeichnet von Luca Beti)

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