Das DEZA-Magazin für
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DEZA
Text: Christian ZeierAusgabe: 04/2019

Im konfliktbeladenen Südkaukasus haben Fotografie und Dokumentarfilm eine wichtige Funktion. Die DEZA unterstützt Kunstschaffende in Armenien, Georgien sowie Aserbaidschan – und fördert damit auch den Austausch zwischen Ländern in Konfliktsituationen.

«Migration in Mountainous Villages» der georgischen Fotografin Natela Grigalashvili.  © zVg
«Migration in Mountainous Villages» der georgischen Fotografin Natela Grigalashvili. © zVg

Grenzüberschreitende Kulturförderung im Südkaukasus ist kein einfaches Unterfangen. Armenien und Aserbaidschan befinden sich in einem ungelösten Konflikt, der immer wieder aufflammt; im repressiven Aserbeidschan ist Zensur eine Realität, und in Armenien litten Kulturschaffende jahrelang unter Missmanagement und Korruption. Kein Wunder gilt Georgien, das dritte Land im Bunde, seit Jahren als vergleichsweise sicherer Hafen.

«Unser Land hat eine besondere Funktion in der Kulturlandschaft des Südkaukasus», sagt Archil Khetaguri, Direktor der Stiftung Noosfera, die das Dokumentarfilmfestival CinéDOC in Tiflis durchführt. Bereits zu Sowjetzeiten sei in Georgien eine anspruchsvolle Filmkultur entstanden – zudem hätten die Produzenten von Dokumentarfilmen hier grössere Freiheiten als diejenigen in Armenien oder Aserbaidschan. In den Nachbarländern würde man sich stärker mit der eigenen Vergangenheit beschäftigen; nicht zuletzt deshalb seien diese qualitativ noch nicht auf der gleichen Stufe, sagt die aus Rumänien stammende Noosfera-Geschäftsführerin Ileana Stanculescu.

In Georgien gebe es mehr gute Filmschaffende – viele von ihnen Frauen –, die im Ausland studiert haben und sich mit aktuellen Themen auseinandersetzen. Dieser Unterschiede zum Trotz erkennt Ileana Stanculescu so etwas wie eine südkaukasische Filmkultur: «Die Gesellschaften leben unter ähnlichen Umständen und haben vergleichbare Probleme.» Themen wie Migration oder die Abwanderung aus den Dörfern seien in allen drei Ländern aktuell.

Einflussreiche Dokumentarfilme

Um solche Themen in die Regionen zu tragen, hat die Festivalorganisation das Programm CinéDOC on tour auf die Beine gestellt. In dessen Rahmen zeigen 49 Regionalkoordinatoren in Georgien, Aserbaidschan und Armenien Filme aus dem Festivalprogramm. So kommt es etwa, dass ein Film über den Einfluss der Kirche in Georgien auch Diskussionen in Armenien auslöst. Oder dass ein Film über Migration Frauen in einem georgischen Dorf dazu bringt, ihren Entscheid zur Auswanderung zu überdenken. «Kritisches Denken ist wichtig für die Zivilgesellschaft», sagt Festivaldirektor Archil Khetaguri. «Diesbezüglich können Dokumentarfilme sehr einflussreich sein.»

CinéDOC on tour ist eine von drei Komponenten des georgischen Filmfestivals, die vom Kulturprogramm der DEZA unterstützt werden. Daneben organisiert das Festival auch den Dokumentarfilm-Wettbewerb Focus Caucasus sowie eine jährliche Sommerschule, an der Dokumentarfilmerinnen und -filmer aus den drei Ländern teilnehmen. Auf diese Weise kommen junge Filmschaffende aus Aserbaidschan und Armenien zusammen, die sich sonst nie austauschen würden. «Die Künstler können nach Georgien reisen, aber nicht in das jeweilige andere Land», sagt Ileana Stanculescu. «Mit unseren Projekten fördern wir neben der Ausbildung der Filmschaffenden auch den grenzübergreifenden Austausch.»

«Fotografie ist ein mächtiges Instrument, um Geschichten zu erzählen und Veränderungen herbeizuführen»

Nestan Nijaradze

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Fotografie für den Wandel

Genau das ist das Ziel des DEZA-Programms Arts and Culture for Development im Südkaukasus: einen vielfältigen, innovativen und partizipativen Kultursektor in Armenien, Aserbaidschan und Georgien fördern – und damit auch den Dialog zwischen den Ländern. Neben dem Dokumentarfilm unterstützt die DEZA auch den Bereich Fotografie, der von der NGO Tbilisi Photography & Multimedia Museum betreut wird. Konkreter: den Aufbau eines Fotografie-Hub in Tiflis, um das fotografische Erbe des Südkaukasus zu bewahren sowie Fotografinnen und Fotografen aus den drei Ländern eine Plattform zu bieten. Neben einer Online-Mediathek, die seit 2018 zugänglich ist, entsteht ein physischer Treffpunkt mit Mediathek, Fotobuch-Bibliothek und Ausstellungsräumen.

«Fotografie ist ein mächtiges Instrument, um Geschichten zu erzählen und Veränderungen herbeizuführen», sagt Nestan Nijaradze, Projektleiterin des Hub und Mitbegründerin des Fotofestivals Tiflis. Wie die Vertreter von Noosfera betont auch sie die regionale Bedeutung der georgischen Kulturszene. «Nur hier können sich Kulturschaffende aus allen drei Ländern treffen», sagt Nestan Nijaradze. «Wir müssen diese besondere Position nutzen und ein positives Vorbild für die Region sein.»

Kultur vom Staat gesteuert

Aktuell arbeitet die Kuratorin an einer grossen Ausstellung mit Fotografien aus Georgien, Aserbaidschan und Armenien – der ersten ihrer Art. Länderübergreifend tauchten immer wieder ähnliche Themen auf, Frauenrechte etwa, Grenzen oder Migration. «Je nach Land werden sie sehr unterschiedlich umgesetzt», sagt Nestan Nijaradze. Die Umstände würden sich auf das künstlerische Schaffen auswirken: Im einen Land geniesse die Fotografie mehr Freiheiten, im anderen sei die Zensur stärker.

Der Fotografie-Hub sei eine wichtige Institution, um den Austausch weiter zu fördern und kulturelle sowie soziale Veränderungen herbeizuführen. Die Länder des Südkaukasus, sagt die Projektmanagerin, befänden sich in einer schwierigen Transformation hin zu demokratischen Werten. «Damit die Kunst ihren Beitrag leisten kann, ist sie auf Hilfe von aussen angewiesen.»

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