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DEZA
Text: Luca BetiAusgabe: 02/2022

Ein Traum wird wahr: Lkhagvadulam Purev-Ochir wird diesen Herbst mit den Dreharbeiten ihres ersten Spielfilms beginnen. Dass die mongolische Regisseurin ihr Projekt realisieren kann, verdankt sie auch der Sektion «Open Doors» des Locarno Film Festivals. Die von der DEZA unterstützte Initiative stärkt seit zwanzig Jahren das unabhängige Kino in Ländern des Ostens und des Südens.

Die mongolische Regisseurin Lkhagvadulam Purev-Ochir (Mitte) bei Dreharbeiten in ihrer Heimat. ©zVg
Die mongolische Regisseurin Lkhagvadulam Purev-Ochir (Mitte) bei Dreharbeiten in ihrer Heimat. ©zVg

«Es ist ein wunderbares Gefühl zu wissen, dass ich im September mit den Dreharbeiten zu meinem ersten Spielfilm beginne. Ich arbeite seit fünf Jahren daran», freut sich Lkhagvadulam (alias Dulmaa) Purev-Ochir. Die 1989 in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator geborene Filmemacherin befindet sich momentan in der Nähe von Lissabon und erzählt voller Begeisterung: «In meinen Zwanzigern und Dreissigern erwartete man von mir, dass ich heirate, Kinder kriege, einen sicheren Job und eine Wohnung habe. Doch schon immer wollte ich auch Filme machen.»

Dulmaa verfolgt ihren Traum mit Ausdauer. Nach ihrem Abschluss in Regie im Jahr 2012 unterrichtet sie an der Mongolian School of Film, Radio and Television und am Institute of Cinematography. 2018 erwirbt sie einen Master in Drehbuchschreiben an der Europäischen Kino Eyes-Schule KEM. Momentan ist sie Doktorandin an der Universität Lusófona in Lissabon und gerade Mutter geworden.

«Geld allein macht einen Film nicht lebendig»

Da sich «Open Doors» für den Zeitraum zwischen 2019 und 2021 auf die Länder Südostasiens sowie der Mongolei ausrichtet, bewirbt sich Dulmaa mit ihrem Drehbuch um die Teilnahme an der internationalen Koproduktionsplattform «Open Doors Hub». Die Plattform wählt ausgereifte Projekte aus, welche für die Finanzierungsphase bereit sind. «Ich ging davon aus, dass es reicht, wenn ich das Geld für meinen Spielfilm irgendwie aufbringe», erinnert sich die Regisseurin. Doch die Verantwortlichen beurteilen ihr Projekt als noch nicht reif genug, um international zu bestehen. «Erst später wurde mir klar, dass Geld allein einen Film nicht lebendig macht.»

Nach dem Dreh eines erfolgreichen Kurzfilms wird Dulmaa diesen Herbst in der Mongolei ihren ersten Spielfilm «Zé» drehen. © zVg
Nach dem Dreh eines erfolgreichen Kurzfilms wird Dulmaa diesen Herbst in der Mongolei ihren ersten Spielfilm «Zé» drehen. © zVg

Die Jury erkennt jedoch ihr künstlerisches Talent und Dulmaa wird eingeladen, am «Open Doors Lab» teilzunehmen. An diesem profitieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einer auf sie zugeschnittenen Schulung: Sie erhalten die notwendigen Werkzeuge, um ihre Ideen zu entwickeln, damit der Film auch auf internationaler Bühne bestehen kann. Im Sommer 2019 verbringt Dulmaa sechs Tage in Locarno mit Gruppendiskussionen, Screenings, Einzelberatungsgesprächen und der Möglichkeit, sich zu vernetzen. «Ich habe dabei sehr viel von den südostasiatischen Filmschaffenden gelernt. Sie sind extrem harte Kämpfer», erinnert sich Dulmaa. «Open Doors Lab ist ein gezieltes Programm. Alle – von den Produzentinnen über die Geldgeber bis hin zu den Ausbildnerinnen – haben bereits in der Region gearbeitet, aus der sie kommen, und wissen daher wirklich, wie sie einem helfen können».

Erst der Kurzfilm, nun der Spielfilm

In Locarno trifft Dulmaa auf zwei Produzenten, einen Mongolen und einen Franzosen, die an ihr Projekt glauben. Um ihr künstlerisches Curriculum zu bereichern, raten sie ihr, einen Kurzfilm zu drehen, eine Art Vorgeschmack auf ihren Spielfilm «Zé». So dreht sie im Sommer 2019 anderthalb Monate lang in Ulan Bator «Mountain Cat». Die darin erzählte Geschichte ist inspiriert durch eine Erfahrung, die sie als 25-Jährige gemacht hat: «2014 besuchte ich einen Schamanen namens Uranbold. Nach unserem Treffen war ich extrem verblüfft, dass unter Uranbolds Schamanen-Roben und seiner Kopfbedeckung ein junger, 21-jähriger Mann in Jeans, T-Shirt und voller Tattoos zum Vorschein kam, der sich neben mich setzte und auf seinem Handy ein Video schaute.» Die doppelte Identität des jungen Mannes ist das Bild einer Mongolei, die an ihren Traditionen festhält und gleichzeitig in die Zukunft gerichtet ist.

An der internationalen Koproduktionsplattform «Open Doors Lab» des Filmfestivals Locarno können junge Regisseurinnen und Regisseure wertvolle Kontakte knüpfen. © Open Doors/Locarno
An der internationalen Koproduktionsplattform «Open Doors Lab» des Filmfestivals Locarno können junge Regisseurinnen und Regisseure wertvolle Kontakte knüpfen. © Open Doors/Locarno

«Mountain Cat» wird für den Kurzfilmwettbewerb der Filmfestspiele von Cannes 2020 ausgewählt und unter anderem an den Festivals Sundance in Utah (USA), in Toronto, Turin, London, Busan und Tallin gezeigt. 2020 wird ihr Spielfilmprojekt schliesslich vom «Open Doors Hub» ausgewählt und gewinnt den Förderpreis. «Das ist das erste Geld für mein Projekt», sagt die mongolische Regisseurin. Bisher sind rund 60 bis 70 Prozent der auf rund eine halbe Million Euro geschätzten Produktionskosten gedeckt.

«Kommenden September und Oktober wollen wir mit den Dreharbeiten beginnen. Im Frühjahr 2023 soll der Spielfilm fertiggestellt sein», erklärt Dulmaa. Auch in diesem entscheidenden Moment des Projekts wird ihr Open Doors zur Seite stehen. «Sobald die Dreharbeiten beendet sind, werde ich Rat bezüglich Schnitt und Vertrieb einholen», erzählt Dulmaa. «Wenn ich heute an diesem Punkt stehe, dann ist das auch Open Doors zu verdanken.»

Gruppendiskussionen und Screenings (oben) sollen Filmschaffenden die nötigen Werkzeuge vermitteln, damit diese dereinst ihre fertigen Filme vor grossem Publikum auf der Piazza Grande von Locarno zeigen können. © Open Doors/Locarno
Gruppendiskussionen und Screenings (oben) sollen Filmschaffenden die nötigen Werkzeuge vermitteln, damit diese dereinst ihre fertigen Filme vor grossem Publikum auf der Piazza Grande von Locarno zeigen können. © Open Doors/Locarno
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20 Jahre «Open Doors»

Open Doors entstand 2003 als Zusammenarbeit des Filmfestivals Locarno und der DEZA. Im Rahmen dieses Projekts wurden in 20 Jahren mehr als 700 Regisseurinnen und Regisseure sowie 250 Filmprojekte aus über 60 Ländern gefördert. Heute ist die Sektion «Open Doors» aus dem Festival nicht mehr wegzudenken. Sie ist ein Labor, in dem mit neuen Formen der Kinoförderung experimentiert, kulturelle Grenzen überwunden, neue Talente entdeckt, Filme fertiggestellt und schliesslich präsentiert werden. Open Doors ermöglicht während des Festivals Begegnungen und künftige Zusammenarbeit und setzt sich online an 365 Tagen im Jahr für künstlerische Freiheit, Vielfalt, Inklusion, Erneuerung und die Zukunft des unabhängigen Kinos ein. Auch fungiert es als Forum zum Nachdenken über neue Vertriebsmöglichkeiten. In den geografischen Gebieten, die alle drei Jahre ausgewählt werden, bevorzugt es authentische künstlerische Ausdrucksformen. Der nächste Dreijahreszeitraum zwischen 2022 und 2024 fokussiert auf Lateinamerika und die Karibik.

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