Das DEZA-Magazin für
Entwicklung und Zusammenarbeit
DEZA
Text: Samuel SchlaefliAusgabe: 04/2021

Die Schweiz setzt sich seit mehr als 25 Jahren für erfolgreiche und egalitäre Nord-Süd-Forschungskooperationen ein. Gegenseitiges Vertrauen und langfristige Zusammenarbeit sind dafür entscheidend, wie ein Projekt in Kamerun zeigt.

Fredy Nandjou und Sophia Haussener von der ETH Lausanne präsentieren ihre Innovation: Einen solarbetriebenen Elektrolysereaktor für die Wasserstoffproduktion zum Kochen.  © EPFL
Fredy Nandjou und Sophia Haussener von der ETH Lausanne präsentieren ihre Innovation: Einen solarbetriebenen Elektrolysereaktor für die Wasserstoffproduktion zum Kochen. © EPFL

Fredy Nandjou ist in Kamerun aufgewachsen und realisierte schon früh, dass er Grenzen überschreiten muss, um seine Karriere voranzubringen: Er studierte Ingenieurwissenschaften in Rom und Paris und doktorierte in Energietechnik in Grenoble. Im «Laboratory of Renewable Energy Science and Engineering» der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), erkannte er schliesslich eine Chance, um sein Wissen im Bereich der erneuerbaren Energien weiter zu vertiefen. Die Leiterin des Labors, Professorin Sophia Haussener, lud ihn für ein vierjähriges Postdoc in ihre Gruppe ein. Gemeinsam entwickelten sie eine Technologie, die Nandjou nun mit dem Start-up «Soft Power» zurück in seine Heimat bringen möchte.

Wie in vielen anderen afrikanischen Staaten nutzen auch in Kamerun die meisten Haushalte Holz, Kohle oder Diesel zum Kochen, Heizen oder für die Beleuchtung. Rund drei Milliarden Menschen weltweit sind mangels Alternativen davon abhängig – mit drastischen ökologischen und gesundheitlichen Konsequenzen: Einer Studie von 2019 zufolge sterben an den gesundheitsschädlichen Gasen von fossilen Energieträgern in Innenräumen 3,8 Millionen Menschen jährlich, 40 Prozent davon sind Kinder.

Lokales Wissen anerkennen

Nandjou sah in seiner Forschung eine Alternative: Aus Wasser kann durch Elektrolyse Wasserstoffgas abgeschieden werden. Dieses eignet sich gut zum Kochen und lässt sich einfach in Druckflaschen aufbewahren. Das einzige «Abfallprodukt» beim Verbrennen ist Wasser. Den Strom für die energieintensive Elektrolyse liefert die Sonne über Photovoltaik. In Kooperation mit der EPFL entwickelt sein Start-up derzeit eine Pilot-Anlage für zehn Familien in Douala. Die dafür notwendige Forschung und Entwicklung wird vom «Tech4Dev»-Programm (siehe Kasten) der EPFL unterstützt. Wenn alles rund läuft und potenzielle Investoren mitziehen, sollen ab Mitte 2022 tausend Haushalte vom Projekt profitieren.

Fabian Käser ist Ethnologe und Leiter der «Kommission für Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern» (KFPE) mit Sitz in Bern. Es gehört zu seinem Job, sich mit Projekten wie demjenigen Nandjous auseinanderzusetzen und sich schweizweit für grenzüberschreitende Forschung einzusetzen. Die KFPE bietet Mitgliedern eine Informationsplattform und stärkt das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Nord-Süd-Forschungspartnerschaften. Seit 25 Jahren wird sie durch die DEZA mitfinanziert.

Käser erzählt, dass in den 90er-Jahren an vielen westlichen Hochschulen noch das Verständnis vorgeherrscht habe, dass Experten aus dem Norden in den Globalen Süden reisen, um für dortige Probleme Lösungen zu entwickeln. «Das kontextspezifische Wissen vor Ort und das entsprechende Potenzial für Lösungen wurden lange nicht anerkannt.» Seit der Gründung 1994 habe sich die KFPE deshalb zum Ziel gesetzt, Forschende, Hochschulen und Förderinstitutionen für egalitäre und respektvolle grenzüberschreitende Forschungskooperation zu sensibilisieren. Dafür hat sie einen Katalog mit elf Prinzipien verfasst.

Das erste Prinzip verlangt, dass die Forschungsagenda gemeinsam festgelegt wird und sämtliche Schritte der Identifikation und Bewertung von relevanten Fragen innerhalb eines Forschungsprojekts partnerschaftlich organisiert sind. Weitere Kriterien umfassen die Interaktion mit allen relevanten Interessengruppen, die Klärung von Verantwortlichkeiten, die Förderung des gemeinsamen Lernens sowie das Teilen von Daten.

Kapazitäten aufbauen

Im Falle der Kooperation zwischen der Schweiz und Kamerun sei die Sprache eine grosse Herausforderung gewesen, erzählt Nandjou: «Nicht alle aus unserer Gruppe in Lausanne sprechen fliessend Französisch. Und die meisten Kollegen in Kamerun verstehen nur wenig Englisch.» Auch die Bürokratie in seinem Heimatland machte den Forschenden zu schaffen: «Der Zoll wollte unsere Photovoltaikzellen und Gasflaschen für die Pilot-Anlage plötzlich mit denselben Steuern belegen, wie kommerzielle Güter», erzählt Nandjou. Damit wurde das Material auf einen Schlag um 30 bis 50 Prozent teurer. «Das war gegenüber den Geldgebern an der EPFL schwierig zu rechtfertigen.»

Und schliesslich hatte er zu Beginn Mühe, in Kamerun Partner zu finden, die das nötige Wissen für das Projekt mitbringen. «90 Prozent unserer Technologie ist neu für Kamerun.» Er griff auf Ingenieure zurück, die bereits in anderen afrikanischen Staaten gearbeitet hatten und machte diese durch Bücher und Manuals, die er aus der Schweiz für Trainings vor Ort mitbrachte, mit der Technologie vertraut.

Für Fabian Käser vom KFPE ist der Kapazitätsaufbau im Globalen Süden denn auch einer der wichtigsten Aspekte grenzüberschreitender Forschungskooperationen: «Für Forschung auf Augenhöhe braucht es starke Partner.» Im besten Fall gelänge es im Rahmen eines durch die Schweiz finanzierten Projekts, langfristige Kapazitäten aufzubauen. Dafür seien jedoch auch langfristige Förderprogramme nötig. Als Vorzeigebeispiel nennt er das «Centre Suisse de Recherches Scientifiques en Côte d`Ivoire», das seit den 50er-Jahren von der Schweiz mitaufgebaut wurde und in welchem die Rolle der lokalen Partner kontinuierlich gestärkt wurde.
Was die Finanzierung angehe, so seien junge Forschende in Kamerun auf Förderinstrumente wie «Tech4Dev» angewiesen, weiss Nandjou. «Niemand würde dort ein finanzielles Risiko eingehen für eine Technologie, die noch weitgehend unbekannt ist.» Noch wichtiger ist für Nandjou aber das Vertrauen. «Die jahrelange Zusammenarbeit mit Sophia Haussener ist bis heute die wichtigste Basis für den Erfolg unseres Projekts.»

DEZA und EPFL fördern Technologien für Entwicklung

Das Programm «Tech4Dev» wurde 2019 an der EPFL gestartet, um Kooperationen zwischen EPFL-Forschenden und NGOs mit Projekten im Globalen Süden oder Universitäten vor Ort zu unterstützen. Eine Jury hat 2020 und 2021 je vier erfolgversprechende Projekte ausgewählt und unterstützt diese mit 300'000 Franken über zwei Jahre hinweg. Davon müssen mindestens 40 Prozent im südlichen Partnerland ausgegeben werden. Damit sich die Projekte zu eigenständigen sozialen Unternehmen entwickeln können, durchlaufen die Teilnehmenden auch Kurse in Entrepreneurship. Die EPFL und die DEZA finanzieren «Tech4Dev» während drei Jahren mit je einer Million Franken pro Jahr (2019-2022).

Programm «Tech4Dev»

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