Das DEZA-Magazin für
Entwicklung und Zusammenarbeit
DEZA
Text: Christian ZeierAusgabe: 04/2019

Nach über 50 Jahre Präsenz beendet die DEZA ihr bilaterales Engagement in Pakistan. Was bleibt? Und wie funktioniert so ein Ausstieg?

Selbstständige Teppichknüpferinnen: Im pakistanischen Dorf Gulmit ist mit Unterstützung der DEZA das erste von Frauen geführte Unternehmen entstanden.  © DEZA
Selbstständige Teppichknüpferinnen: Im pakistanischen Dorf Gulmit ist mit Unterstützung der DEZA das erste von Frauen geführte Unternehmen entstanden. © DEZA

50 Jahre Lebenserwartung pro Kopf und 6.5 Milliarden Dollar Wirtschaftsleistung – das war Pakistan 1966, als die DEZA ihre Arbeit im südasiatischen Land aufnahm. Wenn sie sich jetzt, Ende 2019, zurückzieht, verlässt sie ein anderes Land: 67 Jahre Lebenserwartung, 300 Milliarden Wirtschaftsleistung und ein Durchschnittseinkommen im unteren Mittelbereich. Einen Teil zur positiven Entwicklung des Landes hat auch die Schweiz beigetragen.

Fast 700 Millionen Franken hat die DEZA während fünf Jahrzehnten investiert. Standen in einer früheren Phase Armutsbekämpfung, Land- und Forstwirtschaft im Fokus, traten später Bereiche wie die Förderung guter Regierungsführung oder die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen in den Vordergrund. Zudem hat die DEZA in Pakistan umfangreiche humanitäre Hilfe geleistet – etwa bei der Unterstützung afghanischer Flüchtlinge, dem Wiederaufbau nach dem Erdbeben 2005 und nach den Überschwemmungen von 2010.

Kleiner Partner, grosse Wirkung

Gleich geblieben ist während all der Jahre der Fokus auf benachteiligte Bevölkerungsgruppen sowie die geografische Konzentration auf die nordwestlichen Regionen rund um die Provinzhauptstadt Peshawar. «Wenn man sich verzettelt, hat man als kleines Geberland in einem grossen Land wie Pakistan kaum Visibilität», sagt Daniel Valenghi, der das Kooperationsbüro in Pakistan leitet und den Ausstieg vor Ort begleitet. Deshalb habe sich die DEZA stets auf Menschen in schwierigsten Lebensbedingungen, ganz besonders in abgelegenen ländlichen und Bergregionen, konzentriert.

Die pakistanische Regierung habe diese Zusammenarbeit sehr geschätzt, so Valenghi. Über den Ausstieg der Schweiz sei man folgerichtig wenig erfreut. Die guten Beziehungen lassen sich einerseits auf die Kontinuität des Engagements zurückführen, andererseits auf die Tatsache, dass die Schweiz stets neutral agierte und keine Kolonialvergangenheit hat. Auch wenn aufgrund der Grösse Pakistans fast jeder Erfolg klein erscheint, ist für Daniel Valenghi klar: «Im Verhältnis zum eingesetzten Geld hatten wir eine grosse Wirkung.» Diese Wirkung könnte im Rückblick erfasst und nach fünf oder zehn Jahren überprüft werden. Zudem hat die DEZA mehrere Publikationen erarbeitet, die einen Überblick über Projekte und Erreichtes bieten (siehe Randspalte).

Beschleunigter Ausstieg

Ursprünglich wollte die DEZA Ihr Engagement erst 2022 beenden. Doch als das Parlament 2017 einer Budgetkürzung zustimmte, entschied man, den Prozess zu beschleunigen und bis Mitte 2020 das Büro vor Ort zu schliessen. Normalerweise habe man sechs oder sieben Jahre Zeit, um einen Ausstieg vorzubereiten, sagt Daniel Valenghi. Schliesslich müsse man die Projekte so planen können, dass sie auf einen Abschluss zusteuern oder von lokalen Partnern weitergetragen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die virtuelle Menschenrechtsdatenbank, welche die DEZA zusammen mit dem UNDP, dem Entwicklungsarm der UNO, in Pakistan aufgebaut hat und die nun von der Regierung angewendet wird.

Komplizierter wird es, wenn ein Projekt mehr Zeit benötigt als bis zum Ausstieg verbleibt. Ein Beispiel dafür ist der Bau von Mikro-Wasserkraftwerken, den die DEZA im Yarkhun- und im Laspur-Tal im Nordwesten des Landes unterstützt hat. Die Infrastruktur funktioniert, der Strom wird produziert, doch nun müssten die Gemeinden die Turbinen selbst verwalten, und die Begünstigten sollten mit einer kleinen Abgabe das Personal und den Betrieb finanzieren. «Das Projekt ist nach Plan verlaufen», sagt Daniel Valenghi. «Aber bis es nachhaltig funktioniert, braucht es noch zwei bis drei Jahre.» Weil die Mikrowasserkraftwerke in enger Zusammenarbeit mit der lokalen NGO Aga Khan Rural Support Programme erarbeitet wurden, ist die Weiterführung des Projekts trotz Ausstieg grösstenteils sichergestellt.

Die DEZA hat in Pakistan verschiedenste Projekte unterstützt, darunter die Förderung der Polizeikräfte in Khyber Pakhtunkhwa oder die Ausbildung von Suchhunden und Hundeführern für den Katastrophenfall.  © DEZA
Die DEZA hat in Pakistan verschiedenste Projekte unterstützt, darunter die Förderung der Polizeikräfte in Khyber Pakhtunkhwa oder die Ausbildung von Suchhunden und Hundeführern für den Katastrophenfall. © DEZA
Die DEZA hat in Pakistan verschiedenste Projekte unterstützt, darunter die Förderung der Polizeikräfte in Khyber Pakhtunkhwa oder die Ausbildung von Suchhunden und Hundeführern für den Katastrophenfall.  © DEZA
Die DEZA hat in Pakistan verschiedenste Projekte unterstützt, darunter die Förderung der Polizeikräfte in Khyber Pakhtunkhwa oder die Ausbildung von Suchhunden und Hundeführern für den Katastrophenfall. © DEZA

Zusammenarbeit geht weiter

Was bleibt also nach dem Ausstieg der DEZA? «Am meisten haben wir in die Menschen investiert», sagt Daniel Valenghi. «Ausbildungen, Weiterbildungen, Beziehungsnetze – das alles bleibt, wenn wir gehen.» Ebenso könne die Infrastruktur, an deren Aufbau die Schweiz beteiligt war, in den allermeisten Fällen ohne sie betrieben werden. Auch wenn Pakistan eines der fragilsten Länder bleibt, sei der DEZA-Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt vertretbar – zumindest was die bilateralen Projekte der Entwicklungszusammenarbeit angeht. Durch die Botschaft bleibt die Schweiz im Land vertreten. Zudem finanziert die DEZA weiterhin multilaterale Institutionen, ist durch ihre Globalprogramme präsent, und die Humanitäre Hilfe steht bereit, sollte sie im Fall einer Katastrophe angefordert werden.

Aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung Pakistans dürfte sich die Beziehung der beiden Länder künftig noch stärker auf ökonomische Aspekte konzentrieren. Schon jetzt ist die Schweiz einer der wichtigsten ausländischen Direktinvestoren in Pakistan – zahlreiche Schweizer Firmen sind vor Ort tätig. «Das Land hat ein Riesenpotenzial», sagt DEZA-Mitarbeiter Daniel Valenghi. «Auch ohne klassische Entwicklungshilfe gibt es ganz viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit.»

Inspirierende Geschichten

Zum Abschied aus Pakistan hat die DEZA inspirierende Geschichten aus 50 Jahren Entwicklungszusammenarbeit zusammengetragen: ein jahrhundertealtes Dorf, in dem erstmals Frauen ein Geschäft eröffnen; ein Mädchen aus den Slums, das in der Schule und auf dem Cricket-Feld brilliert; oder ein Afghane, der vom Flüchtling zum Master-Student wurde. Die dazugehörigen Videos werden auf der Facebook-Seite «Switzerland in Pakistan» publiziert. Alle Geschichten können zudem unter folgendem Link eingesehen werden:

Kommen Sie mit. Ab April 2024 finden Sie alle Geschichten rund um die Humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz auf deza.admin.ch/geschichten.

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